Wenn man auf BGG nach netten kleinen Kartenspielen sucht, kommt man früher oder später nicht an The Mind vorbei. Es taucht auch immer mal wieder auf Listen auf, die sich mit innovativem Spieldesign beschäftigen. Und die Reviews sind zwigespalten – relativ wenig “Ja naja, geht so, middle of the road”, sondern entweder Begeisterung oder deutliches Missfallen. Sowas gefällt mir ja immer, frei nach dem Motto “Sei alles, nur nicht langweilig”.
Auch bei Shut Up And Sit Down kam The Mind sehr gut weg. Das ist für mich auch ein gutes Zeichen – ich mag deren Stil, eben auch weil sie mitunter “imperfekte” Spiele über den grünen Klee loben. Auch hier, lieber etwas zu viel Begeisterung als Indifferenz. Ein weiteres Egal-Spiel brauchte ich nicht.
Und zu guter Letzt lädt der Preis natürlich dazu ein, das Spiel einfach mal mitzunehmen. The Mind kostet nicht mehr als 15€, ist aber auch immer mal wieder für unter 10€ zu haben. Bei dem Preis schmerzt es deutlich weniger, wenn es nicht in die Gruppe passt. Und die zurückhaltend designten Zahlenkarten könnten dann ja bei irgendeinem super-weighty Strategiespiel mit Systemen in Systemen in Systemen nützlich sein…
The Mind
The Mind ist mehr als nur ein Spiel. Es ist ein Experiment, eine Reise, total einfach und die genialste Team-Erfahrung, die man machen kann. Wenn ihr das letzte Level gemeinsam besiegt, werdet ihr auf Wolke Sieben schweben. Ihr dürft euch nämlich nicht absprechen, keine Informationen austauschen. Und trotzdem funktioniert es –wenn ihr wirklich EINS werdet.
Nur mit Hilfe eurer Gedanken…
Was genau ist The Mind also?
The Mind ist ein kooperatives Kartenspiel. Zu Beginn werden die Handkarten gemischt und zufällig an die Spieler ausgeteilt. Die Anzahl der erhaltenden Karten bestimmt das Level und dessen jeweilige Schwierigkeit. Man startet mit Level 1 und einer einzigen Karte und arbeitet sich hoch bis Level 12 mit dann 12 Karten pro Spieler – so man es denn soweit schafft.
Jeder Spieler kennt zu jedem Zeitpunkt alle seiner eigenen Karten – die der Mitspieler bleiben aber unbekannt. Die Karten zeigen jeweils eine Zahl pro Karte zwischen 1 und 100. Ziel ist es, die Handkarten aller Spieler auf einem gemeinsam Stapel abzulegen. Die abgelegten Karten müssen dabei von der kleinsten zur größten Zahl abgelegt werden – dabei gibt es keine festgelegte Spieler-Reihenfolge, sondern jeder darf die jeweils passende nächsthöhere Karte zu jedem Zeitpunkt auf den Stapel legen. Sobald die Hände aller Spieler leer sind, ist das Level gewonnen.
Alles tatsächlich sehr simpel: welche Zahl kommt als nächstes – The Card Game.
Der Kicker? Man darf nicht reden. Zitat aus den Regeln: “Die Spieler dürfen NICHTS über die eigenen Karten verraten, kein Informationsaustausch, keine geheimen Zeichen.” Wie genau diese Regel dann am Tisch ausgelegt wird, ist wohl sehr individuell – bei uns heisst es: nicht reden.
Der Moment, in dem man diese Regel erklärt, ist übrigens auch der Moment, der beim ersten Spiel mit einer neuen Gruppe unglaublich viel Spass machen kann. Man erklärt die simplen Regeln, bei den Mitspielern kommt so langsam der Gedanke an: “Wie hart kann das sein?”. Und dann bringt man diese letzte alles entscheidene Regel, das Gedankengebäude kracht zusammen und aus “Wie hart kann das sein?” wird “Wie soll das denn gehen?”.
Wie spielt es sich?
Fluffig, schnell und witzig spielt es sich. Die Regeln sind extrem schnell erklärt, man kann sofort losspielen. Sehr schnell zeigen sich die Unterschiede zwischen den Spielern – wie genau versteht man die Regel “kein Informationsaustausch”, wie mutig oder zurückhaltend oder kalkuliert ist jeder einzelne?
Die einzelnen Level sind angenehm kurz, keines dauert länger als 5-7 Minuten. Scheitern geht ebenfalls schnell – man verliert eine Lebenskarte und spielt weiter, wenn es nicht das letzte Leben war. Und das Gewinnen eines Levels fühlt sich super an – sowohl bei einem Clutch in letzter Minute und nachdem man 2 Leben gelassen hat, als auch bei einem makellosen Lauf durch die komplette Zahlenreihe.
Die Wurfstern-Karten bringen ein wenig Abwechslung und Handlungsspielraum dazu: per stummer Abstimmung können die Spieler entscheiden, ihre niedrigste Karte offenzulegen, was das Team jedoch eine der begrenzten Wurfstern-Karten kostet. Wenn sich herausstellt, dass das Benutzen sich gelohnt hat – durch Aufdecken einer sehr engen Reihe wie 56,57 und 59 z.B. – gibt es zustimmendes Nicken und allgemeines Aufatmen. Beim gefühlten Verschwenden der Wurfstern-Karte hört man dagegen angestrengtes Wimmern.
Der Schwierigkeitsgrad steigt angenehm an – die ersten Level gehen eher durch Übermut verloren, in späteren Levels steigt die Schwierigkeit deutlich. Ich habe The Mind auch mit meinen Kids gespielt – 11 und 15. Und beide fanden das Spiel super, eben weil man so schnell hinein kommt. Mit sehr ernsten und kompetitiven Gruppen kann The Mind vermutlich unangenehm werden – einerseits ist eben immer ein Spieler “Schuld” am Verlust eines Lebens, andererseits kann man durch Sekunden-zählen und genaues Takten das Spiel zwar regelmäßiger gewinnen, optimiert aber auch irgendwie den Spass heraus.
Fazit
Gutes kleines Spiel. Passt in jeden Rucksack und kann deshalb auch im Zug oder der Kneipe schnell mal rausgeholt werden. Durch die Zugänglichkeit taugt es auch für Menschen, die (Karten)spiele nicht so häufig spielen. Das “Nicht Kommunizieren”-Gimmick ist innovativ und überraschend.
Die einzigen Nachteile für uns waren das ständige Mischen und dann doch irgendwie die fehlende Tiefe. Ersteres findet unvermeidlich nach jedem Level statt – schließlich enden die Karten ja sortiert auf dem Tisch. Man kommt also nicht drum herum, nach jedem Level die 100 Karten gut durchzumischen. Bei so kurzen Leveln macht das dann eben auch keinen kleinen Teil der Gesamtspielzeit aus.
Die fehlende Tiefe kommt bei uns nach spätestens 30min zum Vorschein: The Mind ist ein gutes Vorspeisen-Spiel. Aber einen gesamten Spieleabend würden wir nicht ausschließlich mit diesem Spiel verbringen wollen – dafür ist dann einfach zu wenig Fleisch am Knochen.
Alles in allem also ein schönes schnelles kleines Einsteigerspiel. 4 von 5 Sternen, hiermit weiteremfpohlen.
Wenn es in Richtung gute Kartenspiele etwas mehr sein darf: in unserer Gruppe gelten als ähnliche Spiele einerseits The Crew – deutlich mehr denken und taktieren und Puzzle und Skull – deutlich mehr Lachen und Interaktion und Kneipe.
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